Gitterknast ade!


Seit zwei Monaten darf der Prinz auf nächtliche Fesseln in Form eines Gitterbettes verzichten. Wie geht ein Kleinkind mit dieser neu gewonnenen Freiheit um? Zeit für ein Resümee!

Keine Überraschungsbesuche, kein heimliches Verwüsten der Wohnung in der Nacht – Gitterbetten für Kleinkinder sind eine tolle Erfindung. Doch auch wenn wir den Übergang von der vertrauten Bequemlichkeit zum ungewissen Chaos so lange wie möglich hinausgezögert haben, kam er irgendwann: der Tag der Freilassung.


Unser Kind bleibt bis zum Schulanfang im Gitterbett

...sagten wir des Öfteren halb im Scherz, halb im Ernst zu unseren Freunden. Neben den genannten Vorzügen trugen Horrornachrichten wie „Kind hat sich selbst mit Jalousie erdrosselt“ oder „Kind in Waschmaschine ertrunken“ nicht unbedingt dazu bei, das Abenteuer großes Bett frühzeitig zu beginnen. Als sich die Kletterkünste des Prinzen zunehmend verbesserten, mussten wir jedoch wohl oder übel einsehen, dass uns ein Wechsel des Schlafplatzes noch vor Schuleintritt bevorstand.


Vorbereitungsphase

Streifzüge durch virtuelle und analoge Kaufhäuser offenbarten zwei Trends: Hoch- und Fahrzeugbetten. Erstere weckten unser Interesse, denn wir malten uns aus, wie sämtliches Spielzeug praktischerweise hinter dem Vorhang verschwinden könnte. Der Prinz war ebenfalls nicht abgeneigt und testete sich durch diverse Betten eines Möbelgeschäfts. Während wir ihm mehrfach „Stopp!“ und „Vorsicht!“ zuriefen, hatten wir einen Geistesblitz. Hochbetten sind vor allem eines: hoch.

Viel zu riskant für ein energetisches Kind, das gern Kissen zu einem wackeligen Turm stapelt und von dort aus gegen harte Kanten springt; oder versucht, mit dem Laufrad auf Baumstämmen zu balancieren.
Da der Prinz Fan von Yakari ist – oder besser gesagt von dessen Freund Kleiner Donner – fanden wir in einem Tipi-Bett eine Alternative.
Nach einem nervenaufreibenden Aufbau (nach jahrelangem Ikea-Konsum können Anleitungen anderer Möbelhersteller ganz schön verwirrend sein) war es in der Nacht vor dem dritten Geburtstag so weit: einer Freilassung stand nichts mehr im Wege.


Phase 1: Wie viel passt in mein Bett?

Nach der Gute-Nacht-Geschichte verließen wir das Kinderzimmer und setzten uns gespannt vor das Babyfon. Was würde der Prinz in dieser neuen Situation tun?
Uns erreichten undefinierbare, scharrende Geräusche. Obwohl die Neugierde groß war, rissen wir uns zusammen und schauten nicht nach. Etwa zwanzig Minuten später erlöste uns der Prinz und lieferte (endlich) einen Grund, um nach dem Rechten zu sehen. In völlig verzweifeltem Ton rief er: „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Ich brauche Hilfe!“

Mit klopfendem Herzen betrat ich sein Zimmer und erblickte ein leeres Bücherregal. Dessen Inhalt befand sich im neuen Bett, fein säuberlich gestapelt. „Guck mal, Mami, diese Bücher hier habe ich mir schon alle angeschaut“, verkündete der Prinz freudestrahlend mit einem weiteren Buch auf dem Schoß. „Aber ich kann den französischen TGV einfach nicht finden. Kannst Du mir bitte helfen?“ Zum Glück hatte ich mir die Seitenzahl gemerkt, denn der gesuchte Hochgeschwindigkeitszug war zu diesem Zeitpunkt nach dem thailändischen Tuk-Tuk des Prinzen zweitliebstes Fahrzeug.
Glücklich und zufrieden verbrachte er die nächsten zehn Minuten damit, sämtliche Bücher zurückzustellen. Geschlafen wurde, nachdem die komplette Kuscheltierkiste ins Bett migriert war.

Was in der ersten Nacht Bücher und Kuscheltiere waren, war in der zweiten Lego und in der dritten die Holzeisenbahn. Später dürften sich Schleichtiere, eine Tankstelle und sogar der Kriechtunnel über eine Übernachtung im großen Bett freuen.

       
Phase 2: Ich will raus!

Nachdem sämtliches Zimmerinventar im Bett gelandet war, verlor der Prinz nach circa einer Woche das Interesse an seinem neuen Schlafplatz. Er stand lieber auf und spielte. Stundenlang. Weder gutes Zureden noch das Herausdrehen der Glühbirne konnten ihn abhalten.  

Auch Kinderdisco war in dieser Phase eine beliebte Beschäftigung. Ging man in sein Zimmer, um die Musik leiser zu stellen, traf man auf folgende Szene: Berge von Fahrzeugen, Tieren und Kissen auf dem Boden, in der hintersten Ecke steht ein Radio. Drumherum hüpft ein nackter Dreijähriger im Kreis, ab und zu geht er auf den Boden und macht Breakdance Moves. Beleuchtet wird dieses Spektakel von einer Sternenhimmel-Lampe, die der Prinz eigens zu diesem Zweck angemacht hat. „Warum hast Du Dich denn ausgezogen?“ „Ich wollte ein bisschen nackt tanzen, Mami.“ Alles klar.   


Phase 3: Komm rein!

Unseren Nerven sehr entgegen kam Phase drei, die jedoch nur zwei Nächte anhielt. „Bleib ein bisschen bei mir“, lautete die Anweisung. Und tatsächlich, der Prinz schlief innerhalb von fünfzehn Minuten ein.    


Phase 4: Ich muss nur noch kurz...

Die bisher letzte Phase läuft seit circa einem Monat und besteht im Groben aus zwei Etappen: Kinderzimmer inklusive Bett zumöhlen und anschließend die restliche Wohnung mit „Ich muss nur noch kurz“-Ausreden erkunden.

"Wah, ich bin ein Geist!"
Kissenbezüge bieten zahlreiche
Einsatzmöglichkeiten.
Den Auftakt machte eine Fahrt mit dem Laufrad um kurz nach 22 Uhr, gefolgt von einem Nacktspaziergang mit rosa Einkaufskorb. Im Schlepptau: sämtliche Dinos. „Ich wollte den Dinos mal unsere Wohnung zeigen.“
Ein anderes Mal begegnete mir der Prinz als Hase verkleidet in der Küche. „Geh bitte ins Bett.“ „Ja, gleich. Ich muss nur noch kurz ein paar Geschenke verstecken.“
Ein kleiner Einblick in die Vielfalt der „Ich muss nur noch kurz“-Aktionen: „Der T-Rex hat ganz schwarze Zähne. Ich muss ihm nur kurz die Zähne putzen.“ „Die Pilotin hat das Flugzeug geklaut. Ich muss sie nur schnell ins Gefängnis fahren.“ „Ich muss nur noch kurz nachschauen, ob die Sushi-Stäbchen noch im Schrank sind.“    

Abwechslung ist garantiert. Neuerdings hat der Prinz Gefallen am Grusel gefunden. „Uuuh, uhhhhu“ singt er als Geist verkleidet und schleicht durch die Wohnung. Oder er setzt die gefürchtete Gruselhand ein: Er versteckt sich hinter dem Türrahmen und lässt, gaaaanz langsam, seine Finger wie in einem Horrorfilm erscheinen. „Guckt mal, die gruselige Hand ist wieder da!“ (Und nein, er hat die Addams Family nicht gesehen.)   


Zukunft: ungewiss

Ein Zwischenfazit könnte lauten: Wer weniger Schlaf und mehr abendliche Unterhaltung anstrebt, sollte dem Gitterbett Ade sagen.


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Kommentare

  1. Herrlich!!! Ich musste ganz schön lachen..."Ich muss noch kurz" wende ich übrigens umgekehrte-Psychologie-mäßig immer wieder auf meine Madame an - ohne nennenswerten Erfolg. Es muss wohl einzig und allein unseren Kindern vorbehalten sein, den Tag mit "ich muss noch kurz" auf 28 Stunden zu verlängern.

    Grüße von quer nach schräg!

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  2. Liebe Jasmin,

    sehr spät, aber hoffentlich besser als nie: Vielen Dank für Deinen Kommentar! :-)
    Ein "ich muss noch kurz" meinerseits funktioniert bei uns auch nur sehr beschränkt. Das heißt, für maximal zehn Sekunden - dann ist die Geduld des Prinzen aufgebraucht. Oder er schlägt mir gleich vor, dass ich mein Vorhaben auch auf später verschieben könnte ;-)

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