Contemporary Dance in der Kirche − der Prinz feiert Weihnachten

Orgelmusik ist Geschmackssache − der Prinz ist vom Klang dieses Instrumentes restlos begeistert. Warum wir dennoch an Heilig Abend aus der Kirche geflogen sind und welchen Zweitjob der Weihnachtsmann ausübt, erzählt folgender Blogpost.

  
Die verschiedenen Facetten des Weihnachtsmannes

Die Erkenntnis der Vorweihnachtszeit lautete: Weihnachtsmann ist nicht gleich Weihnachtsmann. Über dessen Aussehen ist sich die internationale Film- und Buchbranche weitgehend einig, auf seine Ausstattung und Arbeitsweise trifft dies jedoch nicht zu.
Nach einigen US-amerikanischen Eindrücken wunderte sich der Prinz über die Socken am Kamin und die Geschenkewurftechnik durch den Schornstein. Schließlich hat in Deutschland nicht jeder einen Kamin und die Socken bleiben für gewöhnlich im Schrank. Auch fliegende Rentiere hat man hier noch nicht gesehen. „Heißt das etwa, dass der Weihnachtsmann dieses Jahr nicht zu uns kommen wird?“, fragte der Prinz leicht enttäuscht. „Nein, nein“, beruhigten wir ihn, „das macht er nur in Amerika so. Er stellt sich auf jedes Land ein. Zu uns wird er zu Fuß durch die Tür kommen.“

Dieses Wissen wendete der Prinz sogleich während eines Wutanfalls an, als er von der Oma daran erinnert wurde, dass der Weihnachtsmann dies sehe: „Ha, das kann er nicht sehen. Er fliegt ja nur in Amerika!“


Die Hobbies des Weihnachtsmannes

Die diesjährigen Fragen des Prinzen zum Weihnachtsmann drehten sich hauptsächlich um dessen Freizeit. Vor dem Fest trifft er Vorbereitungen, zwei Tage lang beschenkt er Kinder, danach ruht er sich aus. Und dann? So viel frei kann niemand haben... Der Prinz ließ nicht locker, bis er eine Erklärung fand:

Der Weihnachtsmann ist ein Tierforscher!
Da er am Nordpol wohnt − das hatte ihm seine Kita-Freundin anvertraut − bietet sich dieser Zweitjob regelrecht an. „Der Weihnachtsmann beobachtet gern Tiere“, erklärte der Prinz. „Vermutlich am liebsten Moschusochsen. Die leben ja dort, das haben wir im Lexikon gelesen.“

Weihnachtsmann mit Style

Die dritte Begegnung

Das erste Zusammentreffen mit dem Weihnachtsmann läutete der Prinz mit der Frage „Essen?“ ein, im zweiten Jahr wollte er ihm als Gegenleistung ebenfalls Geschenke überreichen − Omas Wohnzimmerdeko. Wie würde die dritte Begegnung ablaufen?

„Weißt Du, wer ich bin?“, fragte der Weihnachtsmann noch an der Tür, die der Prinz etwas aufgeregt öffnete. Als seine Antwort „Ja, der Weihnachtsmann“ lautete − und nicht „Klar, Onkel“ − machte sich bei den Erwachsenen Erleichterung breit. Der Gast, der übrigens eine runde Hippie-Sonnenbrille trug, wurde zum Baum geführt und stellte die obligatorische Frage: „Warst Du denn auch schön artig?“
„Ja“, entgegnete ihm der Prinz mit starker Stimme. Daraufhin schaute er kurz zu seinen Mamas, um abzuchecken, ob sie ihn verraten würden. Sie taten es nicht und er nahm seine Geschenke freudestrahlend entgegen. Dieses Jahr hatte er das Prinzip verstanden.


Das schlechte Gewissen meldet sich

Im Anschluss an die Verabschiedung des Weihnachtsmannes wurde des Prinzen Lieblingsgeschenk, ein ICE, aufgebaut. Während wir gemeinsam die Schienen zusammensteckten, wurde er nachdenklich und meinte: „Mami, eigentlich wollte ich dem Weihnachtsmann sagen, dass ich gestänkert habe. Ich habe es aber doch nicht gemacht, weil ich meine Geschenke haben wollte.“ Es war sehr beruhigend zu sehen, dass Cleverness das Vorhandensein eines Gewissens nicht ausschließt.

Nach einer kurzen Einführung in das Thema „stehe zu Deinen Fehlern und alles wird gut“ sowie einer ICE Testfahrt stand der nächste Programmpunkt an: die Kirche. Der Prinz wollte ausdrücklich am Weihnachtsgottesdienst teilnehmen, denn aus unerfindlichen Gründen legte er in der letzten Zeit eine Vorliebe für Orgelmusik an den Tag.


Contemporary Dance in der Kirche

Wir machten uns also auf den Weg in die evangelische Kirche im Dorf der Großeltern und belegten die vorletzte Reihe, um mit einem „agilen Kind“ weniger aufzufallen. Als die ersten Töne der Orgel erklangen, nützte jedoch auch das nichts, denn der Prinz stürmte, von Emotionen geleitet, in den Mittelgang. Dort tanzte er sehr impulsiv und schwungvoll, inklusive Pirouetten, Headbanging und Sprüngen. Während wir Kirchenmusik hörten, schien im Kopf des Prinzen ein Medley aus Schwanensee und „Hyper, hyper“ zu spielen. Seine Performance stand der von Max Colombie ("Oscar and The Wolf") in nichts nach, vor allem, als er auch noch seinen Spielzeugblauwal in den Tanz integrierte.  

Sehr oft werden Vorreiter von ihren Zeitgenossen verkannt − so auch der Prinz. Sein Ausdruck der Freude war zu viel (oder zu modern?) für die Dorfgemeinschaft. Statt sich inspirieren zu lassen, warfen sie ihm giftige Blicke zu und gaben genervte Schnalzlaute von sich.
Der Prinz ließ sich davon nicht beeindrucken, leider auch nicht von unseren Versuchen, einen Kompromiss zu finden. In der Bankreihe zu bleiben oder den Tanzradius zu verringern, waren für ihn keine Option − wir mussten gehen, bevor uns die Blicke töteten.

„Fröhliche Weihnachten“, aber bitte nicht zu fröhlich. Für einen Großteil der Kirchgänger darf Freude scheinbar nur streng nach Vorschrift besungen oder still ausgesessen werden.
Etwas traurig darüber − der Prinz sogar sehr − kehrten wir nach Hause zurück und feierten unsere eigene Freudenparty.
Euch allen ein Frohes Fest!


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