Hallo Welt, bereit für Madame Elfenohr?


Seit zwei Monaten hat der Prinz von Moabit Verstärkung: Seine Schwester, Madame Elfenohr, hilft ihm, die Welt ein bisschen schöner zu machen. Wie ihre Reise aus dem Uterus verlief, erfahrt ihr in diesem Blogpost. Ganz unblutig, versprochen ;-)


Die Welt kann warten

Die erste Lektion über sich selbst erteilte uns unsere Tochter noch im Mutterleib: Sie hält nichts von deutscher Pünktlichkeit, ließ sie uns wissen. Weder am Entbindungstermin noch eine Woche später erschien sie im Kreißsaal. Als sie nach neun Tagen Überfälligkeit noch immer keine Anstalten machte, sich hinauszubegeben, wurde nachgeholfen.


Zwei Pillen und ein Kind

Das Wundermittel, das das Baby sanft Richtung Welt schieben sollte, war eine wehenfördernde Magentablette. Meine Frau bezog ein Zimmer, warf eine Testdosis ein und ging mit mir spazieren. Nach einer zweiten Tablette besuchten wir das Bistro – alles fühlte sich an wie ein Kurzurlaub. Statt einer romantischen Nacht hieß es dann jedoch um 20 Uhr Abschied nehmen, denn meine Besuchszeit war vorbei. „Das kann dauern, so im Schnitt ein bis drei Tage. Ruhen Sie sich aus, wir melden uns dann.“

„Was, ein bis drei Tage? Nicht mit uns!“, beschlossen unsere Tochter und die Tablette. „Nichts da mit warten und sanft. Wir legen einen Katapultstart hin!“
Gedacht, getan. Bereits um 20:38 Uhr, also knappe vierzig Minuten später, musste ich zurück. Direkt in den Kreißsaal.   


Buddha und Häkelhaken

Dort angekommen, konnte gerade noch so eine PDA gelegt werden – die Anästhesistin lobte die Haltung, „besser hätte es Buddha nicht machen können“ – und schon begann die Rutschfahrt durch den Geburtskanal. Da die Drogen schnell wirkten, konnte auch die Gebärende (fast) entspannt „zusehen“.
Auf der Station war gerade nichts los, weshalb wir in den Luxus kamen, zwei Hebammen ununterbrochen an unserer Seite zu wissen. Die Ärztin kam ebenfalls zum Plausch vorbei, um sich die Zeit zu vertreiben. Zwischen den Wehen hielten wir also ein gemütliches Kaffeekränzchen.

„So, ich öffne jetzt die Fruchtblase“, kündigte eine der Hebammen an und wedelte mit einem Häkelhaken durch die Luft. Ich erinnerte mich – bei der Geburt des Prinzen wurde an dieser Stelle ebenfalls nachgeholfen. „Wollen Sie gucken?“ Klar, das kannte ich ja schon. Aber beim Rest würde ich wegsehen, war ich mir sicher. Beim Prinzen kauerte ich auch in einer Ecke und war damit beschäftigt, nicht ohnmächtig zu werden.
Die Hebamme schätzte mich jedoch anders ein – und behielt recht.


Was ist denn diese Wurst da?

„Kommen Sie mal her, während der Wehen ist schon das Köpfchen zu sehen.“ Nur zögerlich kam ich der Aufforderung nach und traute mich mit einem halben Auge. Dabei bemerkte ich etwas Merkwürdiges auf dem Kopf, so dass ich aus Neugierde doch beide Augen öffnete. „Was hat sie denn da für eine Wurst auf dem Kopf?“, fragte ich verwundert. „Das ist die zusammengeknautschte Kopfhaut. Die Schädelknochen schieben sich ja übereinander und die Haut muss irgendwo bleiben.“ Wieder etwas gelernt. Doch nichts konnte den folgenden Moment toppen.


Der Pop-up Kopf

Die Wehe, die den gesamten Kopf herausdrückte, riss nicht nur meine Augen auf, sondern auch meinen Mund. Ich blickte ungläubig auf das Spektakel des sich entfaltenden Kopfes und konnte meinen Augen nicht trauen. Wie ein überwältigter live-Kommentator schrie ich meine Gedanken völlig von Sinnen heraus: „Babe, da ist der Kopf, mit Haaren. Oh Gott. OH GOTT, der wird immer größer! Krass, ich sehe eine Stirn. Eine Wange. Ein Ohr, oh mein Gott, einen Mund! Einen Mund, einen echten Mund! Der ganze Kopf ist so riesig!“
In Windeseile wurde aus dem kleinen behaarten Kügelchen ein richtiger Menschenkopf mit Gesicht. Mehr noch, dieses Gesicht drehte sich zu mir und schaute mich an, mitten ins Gesicht und Herz, während der restliche Körper noch im Mutterleib steckte. Jegliche Alienfilme erschienen mir in diesem Moment realistischer als das, was sich vor meinen Augen abspielte.
Es dauerte einige Sekunden, bis ich meine Fassung halbwegs wiedererlangte. Ich schnappte nach Luft, lächelte und begrüßte Madame Elfenohr. Sie hatte tatsächlich spitze elfenhafte Ohren. Mit der nächsten Wehe präsentierte sie uns dann den Rest ihres wunderschönen Körpers.    
 
Spiderman
Die Welt ist um eine Superheldin reicher

Alles gleich und doch anders

Als wir unser Baby stundenlang im Arm hielten und bewunderten, staunten wir auch über unser Geburtserlebnis. Es war das gleiche Krankenhaus wie beim Prinzen, aber das Personal schien wie ausgewechselt. Während uns damals niemand bis auf die Kreißsaalhebamme ernst genommen hatte, kümmerten sich dieses Mal alle rührend um uns. Die Mitarbeiter waren zudem lustig gestimmt und erzählten Anekdoten aus ihrem Leben. Nach der traumhaften Geburt in einem geräumigen Zimmer mit Ausblick – beim Prinzen wurden wir in einen fensterlosen Fliesenraum verfrachtet – wartete sogar ein Familienzimmer auf uns.

Wäre es auf der anschließenden Wochenbettstation ebenfalls so idyllisch gewesen, hätte ich wahrscheinlich an der Realität gezweifelt. Aber nein, dort war alles beim Alten: unfreundliche, übermüdete und freche Schwestern, die teilweise richtige Hexen sein konnten. Glücklicherweise waren wir kaum auf diese angewiesen und kannten uns bereits aus. Wenn wir in unseren Badeschlappen und Schlafhosen zielstrebig den Getränkewagen oder den Speisesaal ansteuerten, war es fast wie im Gammelurlaub. So, wie man dort unfreundliche Gäste ignorieren würde, taten wir es hier mit dem grantigen Personal. Selig wie wir waren, konnte nichts und niemand unsere Laune trüben.

Wie sich Madame Elfenohr in den ersten zwei Monaten entwickelt und ins Familienleben integriert hat, könnt ihr hier nachlesen.


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